#14 Weshalb wir den anderen verändern wollen - und was das mit mir zu tun hat
- Karin

- Nov 11
- 5 min read
In meinem Arbeitsalltag begegne ich immer wieder demselben Phänomen: Nämlich, dass wir wollen, dass sich unser Gegenüber verändert.
Besonders oft ist das in der Partnerschaft zu sehen – aber ganz oft auch im Businesskontext, wo ich mich viel häufiger bewege. Mit IMPULSUS arbeiten wir direkt mit den Führungskräften, inklusive dem Geschäftsführer. Und ganz oft wollen wir, dass sich Mitarbeitende verändern: Dass du doch jetzt bitte anders bist, dich anders verhältst, dass du bitte das tun sollst, was ich will.
Dabei geht es auch immer wieder um Macht. Aber worauf ich eigentlich hinaus will, ist das darunterliegende Thema – das, was wirklich passiert, wenn wir jemanden verändern wollen.

Eines der besten Beispiele finde ich das Verändern wollen des Partners. Wir lernen den zukünftigen Partner kennen, verlieben uns in ihn – und irgendwann fangen uns gewisse Dinge an zu stören. Wir beginnen zu meckern, zu kritisieren, sprechen Themen an.
Aber weshalb wollen wir eigentlich, dass sich der andere ändert? Ich bin überzeugt davon, dass es zwei Gründe dafür gibt:
Weil wir mit uns selbst unzufrieden sind.
Oder weil eines oder mehrere unserer Bedürfnisse im Mangel sind.
Denn wenn wir den anderen kritisieren, dann ist es doch ein bestimmtes Verhalten, eine bestimmte Charaktereigenschaft oder irgendetwas, das uns an ihm stört. Wir wollen, dass sich das verändert – etwas, das wir gerne anders hätten. Vielleicht meinen wir, dass es ihm dann besser geht, dass die Aufgabe besser gelingt oder dass er dann glücklicher wäre.
Worauf ich aber hinaus will, ist das wahre Bedürfnis – mein Bedürfnis, das darunter liegt, wenn ich mein Gegenüber kritisiere. Und da habe ich letztens von Dana Schwandt – da ist Gold drin – eine wunderbar passende Aussage zu diesem Thema gehört. Dana sagt:
„Verändere du dich bitte, damit es für mich leichter ist.“
Dieser Satz ist mir durch Mark und Bein gegangen. Denn – und davon bin ich überzeugt – genau darum geht es wirklich, wenn wir unser Gegenüber verändern wollen.
Denk mal nach: Was stört dich an deinem Partner? Was sagst du ihm vielleicht im Alltag? Wo hättest du gerne, dass er oder sie anders ist?
Und dann schau mal, worum es dir wirklich geht. Weshalb hättest du gerne, dass sich das Gegenüber verändert?
Vielleicht kommen zuerst Gedanken wie: „Weil ich das Beste für ihn will. Weil ich es gut meine. “Das ist bestimmt so – das hinterfrage ich auch gar nicht. Wir wollen im Grunde genommen immer das Beste für den anderen.
Aber unten drunter ist fast überall ein persönliches Bedürfnis versteckt. Das meiste, was wir tun, kommt aus einem eigenen – manchmal sogar egoistischen – Bedürfnis, aus einem Antrieb, der mir dient. Und ich glaube, das ist völlig in Ordnung, so lange ich mir dessen bewusst bin.
Solange ich mir nicht selbst erzähle, dass es um mein Gegenüber geht, sondern erkenne: Das hier ist gerade mein Bedürfnis.
Beispiel 1 – Pünktlichkeit
Ich habe ein, zwei Kolleginnen in meinem Umfeld, die immer zu spät kommen. Das liegt in ihrem Naturell, es ist einfach so – und ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. Heute schaue ich mit einem zwinkernden Auge auf diese Situation.
Doch das fiel mir nicht immer so leicht. Ich habe das lange kritisiert und mich darüber geärgert. Ich dachte: Sie sollen das ändern – schliesslich ist es unhöflich. So wurde es mir beigebracht.
In der genauen Analyse erkannte ich dann aber, weshalb es mich so ärgert. Ich persönlich erachte Pünktlichkeit als Höflichkeit – so wurde es mir beigebracht und so sehe ich es auch.
Wenn jemand unpünktlich kommt, löst das in mir das Gefühl aus, nicht wertgeschätzt, nicht gesehen, nicht respektvoll behandelt zu werden. Obwohl das – neutral betrachtet – gar nichts aussagt. Es ist einfach eine Person, die zwei, drei Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt kommt. Es ist eigentlich alles in Ordnung.
In mir kamen aber Gedanken hoch, verbunden mit Gefühlen wie Wut, Ärger oder Frust. Und wenn wir das sachlich analysieren, könnten wir dem anderen alles in die Schuhe schieben:
„Komm du bitte pünktlich, damit ich mich nicht wertlos fühle. “Oder eben: „Verändere du dich bitte, damit es für mich leichter ist.“
Oder aber – ich kann bei mir ansetzen und schauen, welche Möglichkeiten es gibt, damit ich diese paar Minuten Verspätung aushalte, ohne dass sich etwas an meinem eigenen Wert ändert.
Beispiel 2 – Sorgen und Angst
Ein weiteres Beispiel: In meinem Umfeld gibt es Menschen, die manchmal ängstlicher durchs Leben gehen – die sich Sorgen machen um allerlei Dinge.
Ich war letzten Herbst drei Wochen allein in Island unterwegs. Oder wenn ich nachts allein am Bahnhof bin oder eine lange Autofahrt mache – das alles fühlt sich für mich gut und stimmig an. Aber andere machen sich um mich Sorgen.
Wenn sich jemand so fühlt, sage ich oft: „Beruhig dich, entspann dich, alles wird gut.“
Natürlich ändert das nichts an den Gefühlen des Gegenübers. Aber in mir löst das etwas aus. Es führt dazu, dass ich zukünftig weniger erzähle, was ich tue – vor allem, wenn es potenziell gefährlich klingt.
Mich hat das früher richtig getriggert, weil ich unbewusst heraushörte, dass sie mir etwas nicht zutrauen. Selbstverständlich ging es gar nicht darum, sondern einfach darum, dass sie sich Sorgen machen, ob alles gut kommt. Aber bei mir wurde etwas anderes ausgelöst.
Also habe ich das Gegenüber besänftigt, beruhigt und gebeten, sich weniger Sorgen zu machen. Im Grunde genommen sagte ich: „Mach du dir bitte weniger Sorgen, damit ich mich nicht schwach fühle.“
Dabei könnte ich genauso gut bei mir ansetzen und schauen, weshalb das in mir Gefühle von Schwäche oder Hilflosigkeit auslöst – anstatt das Gegenüber zu kritisieren.
Diese zwei Beispiele zeigen deutlich: Es gibt immer ein Thema unter dem Thema. Und wir dürfen zuerst bei uns hinschauen, bevor wir den anderen kritisieren. Denn immer dann, wenn ich emotional getriggert bin, hat es etwas mit mir selbst zu tun – das ist leider so.
Fazit
Was will ich damit sagen?
Wenn wir das nächste Mal dabei sind, jemanden zu kritisieren, zu meckern oder zu denken: „Warum kann er oder sie nicht einfach anders sein?“, dann dürfen wir innehalten. Nicht, um uns zu verurteilen – sondern um ehrlich hinzuschauen.
Denn in Wahrheit geht es fast nie darum, dass der andere etwas falsch macht. Es geht darum, dass in uns etwas nicht im Gleichgewicht ist. Etwas, das gesehen werden will.
Vielleicht Sicherheit. Vielleicht Nähe. Vielleicht Anerkennung. Vielleicht einfach das Bedürfnis, dass es sich leichter anfühlt.
Und genau da liegt unsere grösste Chance: Wenn ich erkenne, dass ich den anderen verändern will, um mich selbst besser zu fühlen, dann kann ich Verantwortung übernehmen. Dann kann ich mich fragen:👉 Was bräuchte ich gerade, damit es mir leichter fällt – ohne dass der andere sich verändern muss?
Und vielleicht magst du dir heute einmal diese Frage stellen: Wen möchtest du gerade verändern – und was würde es in dir entspannen, wenn du es nicht mehr müsstest?
Denn in dem Moment, in dem du beginnst, bei dir zu bleiben, anstatt den anderen verändern zu wollen, entsteht Freiheit. Freiheit für dich – und für dein Gegenüber.
Und das ist, glaube ich, wahre Liebe.




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