#12 Vom Kalorienzählen zur Selbstliebe - mein Weg zu einer bewussten Ernährung
- Karin

- Oct 28
- 6 min read
Meine Reise mit der Ernährung
Vor vielen Jahren habe ich die Ausbildung zur Ernährungsberaterin gemacht. Ich weiss noch, wie ich bis dahin – vor allem zwischen 15 und 19 Jahren – meinen Körper unschön fand und für „falsch“ erklärte. Ich fühlte mich zu dick, zu mollig. Es war für mich ganz schwierig, mich so zu akzeptieren, wie ich bin.

Dein Körper - ein Wunderwerk
Erst mit dem ersten Ausbildungsjahr, insbesondere mit dem Fach Anatomie, habe ich verstanden, welches Wunderwerk der Körper ist. Seither ist mir vieles klarer geworden.
Stell dir nur einmal vor, wie viele Prozesse in deinem Körper ablaufen, ohne dass du es merkst. Zum Beispiel deine Verdauung: Stell dir vor, was alles passiert, wenn du oben etwas reinstopfst – egal ob das ein saftiger Burger oder eine knackige Karotte ist. Dein Körper verwertet alles, was du ihm gibst, und nimmt sich genau die Nährstoffe heraus, die er braucht.
Oder deine Atmung – sie läuft völlig autonom. Du atmest rund 20’000 Mal pro Tag. Stell dir vor, du müsstest deinem Körper bei jedem Atemzug sagen, dass er jetzt atmen soll. Oder dein Herz, das etwa 100’000 Mal am Tag für dich schlägt – ohne, dass du es bewusst wahrnimmst. Wenn du dich in den Finger schneidest, heilt dein Körper ganz von alleine. Alles, was du tun musst, ist, die Wunde sauber zu halten.
Ist das nicht unglaublich? Der Körper ist so viel intelligenter als ich. In mir drin läuft ein perfektes Zusammenspiel verschiedenster Abläufe, die ich weder kontrollieren will noch kann. Im Gegenteil – ich bin unglaublich dankbar, dass diese Prozesse ohne mich ablaufen. Es ist einfach phantastisch.
Als ich das damals verstanden habe, bekam ich grossen Respekt vor meinem Körper. Fast schon Ehrfurcht. Ich beschloss, dass ich immer bestmöglich zu meinem Körper schauen will, damit er richtig gut funktionieren kann. Das war mein Wendepunkt. Natürlich ging das nicht von heute auf morgen, aber seither habe ich einige Gewohnheiten abgewöhnt, Muster hinterfragt, Neues integriert und Unbrauchbares losgelassen.
Kurz gesagt: Dein Körper ist für dich. Und er tut jeden Tag alles dafür, dass du überlebst. Ist das nicht fabelhaft?
Vom Kampf zur Wertschätzung
Mit dem neuen Körperbewusstsein änderte sich vieles. Ich begann – ganz langsam – mich selbst wertzuschätzen und meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Dieser Prozess dauerte bis vor rund einem Jahr. Erst seither kann ich mit Überzeugung sagen, dass ich mich selbst schön finde – so wie ich bin. Und ja, selbst heute gibt es noch einzelne Tage, an denen ich mich unwohl fühle.
Damals begann ich vor allem, meinen Körper zu lesen. Ich begann zu verstehen, was passiert, wenn ich das eine oder das andere esse. Wenn ich langsam esse, wenn ich schnell esse. Wenn ich viel oder wenig esse. Wie sich mein Körper verhält, wenn ich schlafe oder zu wenig schlafe. Wie es meinem Immunsystem in verschiedenen Jahreszeiten geht. Was ihm guttut – und was nicht. Und über die Jahre entstand daraus eine neue Balance.
Eine wichtige Erkenntnis war für mich, dass es fast unmöglich war, Gewicht zu verlieren, solange ich mich selbst verabscheute oder hässlich fand. Wenn ich mich ablehne, habe ich negative Gedanken über mich – und diese führen zu innerem Stress.
Wenn der Körper unter Stress steht, speichert er Fett ein. Wir schlafen schlechter, die Regeneration fehlt, das Hormonsystem gerät durcheinander. Der Körper kämpft ums Überleben, weil er so stark unter Druck steht. Dann ist Loslassen kaum möglich.
Abnehmen ist aber genau das: Loslassen. Und dafür braucht es innere Ruhe.
Abnehmen ist kein reines Kalorienthema – es ist ein Bewusstseinsprozess.
Ich glaube, das ist eines der grössten Probleme in unserer heutigen Ernährung: Wir sind zu sehr darauf fokussiert, Kalorien zu zählen und Essen abzuwiegen, dass wir vergessen, wie viele weitere Faktoren mitspielen.
Wenn du dich selbst ablehnst, hältst du unbewusst an allem fest, was dir Halt gibt – auch am Gewicht. Dein System denkt: Ich bin noch nicht sicher genug, um loszulassen.
Doch sobald du beginnst, dich zu mögen – auch nur ein bisschen, Schritt für Schritt – verändert sich alles: dein Stoffwechsel, dein Hormonhaushalt, deine Verdauung, dein Essverhalten. Du beginnst, dich von innen heraus zu regulieren – nicht durch Druck, sondern durch Liebe.
Ich bin überzeugt: Liebe verändert alles. Bin ich ehrfürchtig und liebevoll meinem Körper gegenüber, ernähre ich mich anders, bewege ich mich mehr, werde ich automatisch gesünder. Und das zeigt sich in meiner Haut, meinen Haaren, meinen Nägeln.
Ich glaube, der Körper ist ein Spiegel meiner Seele. Anhand meiner körperlichen Gesundheit kann ich sehen, wie es meiner seelischen Gesundheit geht.
Fasten – mein Frühjahrsputz
Was mir besonders guttut, ist das Fasten. Vor vier Jahren begann ich damit. Für mich ist das Fasten wie ein Frühjahrsputz. Wir putzen unser Zuhause gründlich, reinigen die Fenster, ziehen den Boden auf und entrümpeln vielleicht sogar den Keller. Genau das mache ich auch – mit meinem Körper.
Immer im Frühling gehe ich nach Weggis ins Fastenhotel St. Otmar und gönne mir eine Woche Reinigung. Es gibt zwei Entlastungstage vorher, dann sechs Tage nichts essen und zwei Aufbautage danach.
Während dieser Zeit soll man viel trinken – Wasser und Tee, in Massen auch Saft – und es gibt Nahrungsergänzung für jene, die sich viel bewegen.
Bei mir persönlich sind die ersten drei Tage die schwierigsten. Alles wird heruntergefahren, die Energie sinkt, alles läuft langsamer. Ich unterstütze meinen Körper mit viel Schlaf, Sauna, leichten Wanderungen und Meditation.
Am vierten Tag steigt die Energie plötzlich an. Der Körper hat begriffen, dass nichts mehr kommt, und beginnt, die Langzeitspeicher abzubauen. Dabei wird auch eingelagerte Flüssigkeit ausgeschieden.
Man sagt, dass sich in dieser Woche der Magen verkleinert und sich die Zellen fast vollständig neu bilden.
Da wir noch immer ein Reptilienhirn in uns tragen, denkt der Körper in dieser Zeit, es sei eine Hungersnot – dadurch schärfen sich die Sinne. Die Farben werden intensiver, alles erscheint klarer. Ich sehe dann das wahre Wunderland Erde. Kaum ist die Ernährung wieder da, kommt der gewohnte Graufilter zurück.
Nach dieser Woche fühle ich mich jedes Mal wie neu geboren. Mein Körper dankt es mir mit frischer Lebensenergie. Ich kann das Fasten von Herzen empfehlen.
Während dieser Woche lernen wir auch viel über gesunde Ernährung, den Körper und die Verdauung. Ein wichtiger Punkt ist der Unterschied zwischen Hunger und Appetit.
Hunger oder Appetit?
Ich bin der Meinung, dass Hunger und Appetit nicht dasselbe sind. So habe ich begonnen, bei mir genau hinzuschauen, wenn ich Lust auf Essen habe. Wer meldet sich da? Was brauche ich wirklich? Macht es Sinn, jetzt zu essen?
Ich habe festgestellt, dass Emotionen stark in meine Ernährung hineinspielen – vor allem beim Appetit.
Hunger ist ein physisches Bedürfnis: Der Körper braucht Energie und Nährstoffe. Das zeigt sich durch Magenknurren, Schwäche oder Konzentrationsmangel.
Appetit dagegen ist psychisch – ein Verlangen nach einem bestimmten Geschmack oder Lebensmittel, das auch auftreten kann, wenn der Körper eigentlich satt ist.
Ich habe bei mir verschiedene Arten von Appetit entdeckt:
Appetit aus Gewohnheit – zum Beispiel das Schoggigipfeli beim Spaziergang.
Appetit aus emotionalem Mangel – wenn ich traurig, einsam oder unzufrieden bin.
Appetit durch Stress oder Nervosität.
Appetit als Belohnung.
Appetit durch soziale Faktoren – Anlässe, Kultur, Dazugehören.
Appetit aus Langeweile.
Appetit durch Reize – etwa im Kino bei der Popcorn-Werbung.
Das sind nur einige Beispiele, die ich bei mir erkannt habe. Seit ich diese Muster bewusst wahrnehme, kann ich mich viel besser „ertappen“.
Wenn du dein Essverhalten wirklich verändern willst – übrigens genau wie beim Rauchen – musst du verstehen, warum du isst. Wenn du das nicht verstanden hast, kannst du es nicht verändern.
Ich habe auch beobachtet, dass sich mein Essverhalten stark meiner Stimmung anpasst. Wenn ich mit mir verbunden bin, im Vertrauen und positiv eingestellt, dann habe ich weder Heisshunger noch Gelüste. Dann freue ich mich am meisten über gesunde, hochwertige, selbstgekochte Mahlzeiten.
Wenn ich aber unzufrieden bin mit mir, sehne ich mich nach ungesunder Kost – etwas Fettiges, Salziges, wie Chips. In solchen Momenten weiss ich: Jetzt darf ich besonders gut für mich sorgen.
Mein Körper als Spiegel
Ich sehe meinen Körper als riesiges Wunderwerk. Giulia Enders hat für mich eine aussergewöhnliche Fähigkeit, den Körper und seine Organe liebevoll und witzig darzustellen. In ihrem Buch „Darm mit Charme“ geht es genau darum: den Körper zu verstehen, um ihn besser wertschätzen zu können.
Und genau so geht es mir auch. Je mehr ich über mich lerne, je besser ich mich verstehe, desto mehr kann ich mich mögen. Vielleicht geht es dir ja auch so?
Meine persönlichen Ernährungstipps
Iss nur das, was deine Grossmutter auch als Essen erkennen würde.
Iss nichts, wo „Zucker“ unter den ersten fünf Zutaten steht.
Kaufe möglichst wenig verarbeitetes Essen.
Ein Sandwich, das länger als drei Tage haltbar ist, ist für mich ungesund.
Eingeschweisstes, begastes Essen, das eigentlich schnell verderben würde, meide ich.
Gerichte mit mehr als drei unbekannten Zutaten meide ich ebenfalls.
Auf Speisen mit mehr als einmal Glutamat verzichte ich.(Übrigens: Hefeextrakt, Würze, Sojaeiweiss-Isolat, Bouillonpulver, Maltodextrin oder Sojasauce sind auch Glutamat-Formen.)
Je frischer die Lebensmittel, desto besser.
Je kürzer und schonender die Kochzeit, desto mehr Vitamine bleiben erhalten.
Mindestens einmal pro Tag warm essen.
Den Tag mit einem Glas lauwarmem Zitronenwasser starten.
Möglichst wenig Süsses – und wenn, dann direkt nach einer Mahlzeit.
Hunger aushalten – ich sterbe nicht.
Einmal pro Jahr fasten und Frühjahrsputz machen.
Regelmässige Bewegung und Sport.
Weitere Grundsätze, die ich lebe:
Höre auf deinen Körper statt auf Trends.
Iss langsam und bewusst.
Achte auf die Qualität deiner Lebensmittel – lieber weniger, dafür hochwertiger.
Trinke ausreichend Wasser.
Reduziere Zucker, Light-Produkte und Alkohol.
Iss in Ruhe, ohne Handy oder Bildschirm.
Gib deinem Körper Ballaststoffe.
Verwende gesunde Fette.
Vermeide übermässiges Salz und künstliche Aromen.
Sei dankbar vor dem Essen – dieser Moment verändert alles.
Und: Entgifte und entschleunige regelmässig – durch Fasten, Meditation oder einfach genügend Schlaf.




Comments